Die Schriftkultur des christlichen Äthiopiens und Eritreas

Äthiopien und Eritrea liegen, kulturgeschichtlich gesehen, sowohl am Rande des „Christlichen Orients“ als auch mitten in Afrika. Die Kultur ist gleichermaßen beeinflusst von Christentum und Islam seit deren Anfängen, vom Judentum sowie von den vielen animistischen Religionen. Außergewöhnlich für afrikanische Länder südlich der Sahara verfügen Äthiopien und Eritrea über ein reiches schriftliches Erbe, das auf das erste Millennium vor unserer Zeitrechnung zurückgeht.

Zielsetzung

  • Systematische Aufbereitung des Wissens über die christliche äthiopisch-eritreische Handschriftentradition

Projektbeschreibung

Durch das Langzeitvorhaben entsteht erstmalig eine vielfältige und vielschichtige virtuelle Forschungsumgebung, in der die detaillierten Beschreibungen der Handschriften aus Äthiopien und Eritrea mit ausführlichen Informationen zu den Schreibern und Besitzern, den übermittelten Literaturwerken und deren Autoren und Herkunftsorten verknüpft werden.

Langfristig soll durch das Langzeitvorhaben eine systematische Zusammenstellung aller bekannten Texte äthiopischer Literatur und ihrer Erschaffer entstehen. Die wichtigsten Texte werden digital aufbereitet und übersetzt, um einem breiten Publikum den Zugang zu diesem wichtigen Kulturerbe Afrikas zu bieten.

Eine computergestützte Analyse wird außerdem neue Fragestellungen zur Handschriftenkunde, politischen Geschichte, historischen Geographie, Linguistik und Literaturwissenschaft ermöglichen. Eine umfassende bibliographische Datenbank, die im Laufe des Projektes entsteht, wird ebenfalls einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Forschungsumgebung wird modular entwickelt und soll 2040 fertiggestellt werden. Bereits ab 2017 werden einige ausgewählte Handschriftenbeschreibungen und Texteditionen online gestellt.

Finanzierung von Beta masaheft

Das Langzeitvorhaben wird im Rahmen des Akademienprogramms gefördert, das von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert wird.

Das Langzeitvorhaben wird in Kooperation mit der Universität Hamburg am Hiob Ludolf Zentrum für Äthiopistik und Centre for the Study of Manuscript Cultures durchgeführt.

Manuskriptforschung: Christliches Kulturerbe am Horn von Afrika

Mit der Erfindung der Schrift fing alles an. Was das Schreiben mit dem Menschen, und was der Mensch mit dem Schreiben macht, erforscht Professor Alessandro Bausi mit dem Akademievorhaben „Beta maṣāḥǝft“: Im Fokus steht die jahrhundertealte Schriftkultur des christlichen Äthiopiens, die noch heute lebendig ist.

Wenn es um das Kleine Fach Äthiopistik und Manuskriptkulturen geht, dann kommt niemand an Hamburg vorbei, genauer gesagt an Professor Bausi, der seit 2009 an der Universität Hamburg die einzige Professur für Äthiopistik in Deutschland besetzt. Zudem leitet er am dortigen Asien-Afrika-Institut (AAI) das Hiob-Ludolf-Zentrum (HLZ) für Äthiopistik, eines der weltweit führenden Zentren für das Studium Äthiopiens und der Großregion am Horn von Afrika. Das HLZ wurde 2002 eigens für interdisziplinäre Forschungsprojekte gegründet – eines davon ist das Akademievorhaben „:Schriftkultur des christlichen Äthiopiens und Eritreas: Eine multimediale Forschungsumgebung (Beta maṣāḥǝft)“.

Schriftliches Kulturerbe: Manuskripte Äthiopiens und Eritreas

„Äthiopien und Eritrea können auf ein reiches schriftliches Erbe zurückblicken: Die größtenteils wunderschön illustrierten Handschriften mit eigener Schrift und Sprache sind seit Jahrhunderten das wichtigste Mittel, um nicht nur religiöse Schriften, sondern auch historische Informationen aufzuzeichnen. Sie geben bis heute wertvolle Einblicke in das Leben und die Kultur am Horn von Afrika. Und genau das macht unsere Forschungen so faszinierend“, betont Bausi. 

Das Projekt „Beta maṣāḥǝft“ ist ein Langfristforschungsprojekt der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, das im Rahmen des Akademienprogramms (koordiniert von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften) gefördert wird. Die Förderung läuft über 25 Jahre, von 2016 bis 2040. Schließlich ist viel zu tun: Noch immer befinden sich hunderttausende unerschlossene Manuskripte in den Kirchen und Klöstern Äthiopiens und Eritreas, und auch bestehende Sammlungen bedürfen der Aufbereitung. 

Ziel des Akademievorhabens ist die systematische Aufbereitung des Wissens über die christliche äthiopisch-eritreische Handschriftentradition. Die Forschenden analysieren wichtige Texte der Schriftkultur des christlichen Äthiopiens und stellen sie mit Übersetzung multimedial bereit. Damit bewahren sie dieses bedeutende Kulturerbe und machen es der Wissenschaft und auch der Öffentlichkeit zugänglich. 

Globaler Austausch

Diese Handschriftentradition ist gleichermaßen historischer Bestandteil von Christentum, Islam und Judentum sowie von lokalen Religionen. „Wir befassen uns mit einer fast 2000 Jahre alten Manuskripttradition, die noch heute eine wichtige Rolle spielt“, so Bausi. „In diesen Schriften zeigt sich deutlich ein weit über die Region am Horn von Afrika ausstrahlender Austausch von Traditionen, Geschichten und Menschen. Das knüpft an die Moderne an und unterstützt neue Forschungen zur politischen Geschichte, Handschriftenkunde oder historischen Geografie“.

Vielfältige Kontakte mit der europäischen Kultur

Und noch etwas ist außergewöhnlich: „Die Subsahara-Kultur ist eine afrikanische Kultur, die erstaunlich vielfältige Kontakte und Ähnlichkeiten mit der europäischen Kultur aufweist“, erläutert Bausi. „Wir finden antike, mittelalterliche und gegenwärtige Erzählungen nicht nur über das Christentum, sondern auch über das antike Judentum – Erzählungen, die es manchmal ausschließlich in äthiopischen Handschriften gibt.“ Auch Erzählungen des christlichen Mittelalters, etwa zu Marienwundern oder Heiligenzyklen, tauchen in äthiopischen Handschriften auf, werden neu organisiert oder mit eigenen Geschichten ergänzt. „Diese Verknüpfungen sind überaus interessant: Sie zeigen, dass angeblich unterschiedliche Kulturen schon immer miteinander verschränkt waren.“

Manuskripte als Wissensspeicher

Um diese für das kulturelle Erbe bedeutenden Bestände zu sichern, ist es von großer Bedeutung, die noch nicht untersuchten Handschriftensammlungen im äthiopischen und eritreischen Hochland zu bewahren, zu erforschen und zu digitalisieren. Gleiches gilt auch für bestehende Manuskriptsammlungen in Bibliotheken. „Hier sind die Beschreibungen oft unvollständig und konzentrieren sich lediglich auf die Haupttexte“, ergänzt Bausi. „Außerdem gibt es derzeit keinen umfassenden Handschriftenkatalog, der es Forschenden erlaubt, mit mehreren Sammlungen gleichzeitig zu arbeiten. Diese beiden Lücken wollen wir mit unserem Beta maṣāḥǝft-Projekt schließen.“

Virtuelle Forschungsumgebung

Diese Mammutaufgabe ist natürlich nur langfristig und in internationaler wie interdisziplinärer Zusammenarbeit zu bewältigen: Forschende aus Äthiopien, Deutschland, Italien und Russland bauen eine virtuelle, multimediale Forschungsumgebung auf, um Texte und Bilder aus unterschiedlichen Zeitperioden und Regionen mit Informationen zu den Handschriften, den relevanten Persönlichkeiten sowie den Herkunftsorten zu verbinden. „Das erfordert viel Zeit und Wissen, dient aber der Nachhaltigkeit des Projektes“, erklärt Bausi.

Katrin Schlotter (Mit freundlicher Genehmigung der Akademienunion aus der Reihe „Projekt des Monats“, März 2021)

Eckdaten
Vollständiger Titel des Langzeitvorhabens:

Die Schriftkultur des christlichen Äthiopiens und Eritreas: Eine multimediale Forschungsumgebung (Beta maṣāḥǝft)

Leitung:

Prof. Dr. Alessandro Bausi

Laufzeit:

01.02.2016 bis 31.12.2040

Interview

Alessandro Bausi spricht über die Besonderheiten des Forschungsprojekts.

➤ Gespräch „Zeugnisse alter Traditionen, die immer noch die Gegenwart prägen“

Weitere Informationen

Zum Projektflyer

Zur Projekthomepage

Zum Projektfilm

Zum Projektfilm mit DGS-Synchronisation

Zum AGATE-Portal (Forschungsinformationssystem der Wissenschaftsakademien)

Projekt des Monats: "Manuskriptforschung: Christliches Kulturerbe am Horn von Afrika" (Akademienunion, März 2021)

Kontakt

Projekt Beta masaheft

Hiob Ludolf Zentrum für Äthiopistik
Universität Hamburg
Alsterterasse 1
20354 Hamburg
Germany

Ansprechpartnerin:
Eugenia Sokolinski, M.A.
E-Mail: aethiopistik(at)uni-hamburg.de
Tel.: +49 40 42838 7777